KAMPF DER GIGANTEN

Almauftrieb der Noriker Hengste in Rauris

 

Jährlich kämpfen mächtige Noriker-Hengste beim legendären Hengstenauftrieb um die Rolle des Leithengstes, bevor sie gemeinsam zum "Almsommer" auf die Grieswiesalm ( Rauris) getrieben werden.
Heute musste ich mir das einmalige Schauspiel, wenn die Hengste um die Macht auf der Alm kämpfen, ansehen.
Die größten und stärksten Noriker-Deckhengste des Salzburgerlandes wurden bereits heute zum 24. mal aufgetrieben.
Tonnen geballter Kraft und Energie. Ein Hengst wiegt zwischen 700 und 900 kg.
Auf den ersten Blick erscheint der Kampf der Hengste im Rauriser Tal wild, gefährlich und brutal. Tatsächlich aber dient dieser jährliche Kampf der Sicherheit der Pferde. Sie bestimmen damit die Rangordnung untereinander, bevor es für den Sommer auf die Alm geht.
Ein wertvoller Deckhengst hat es nicht leicht. Nachdem er für die Deckung von durchschnittlich 30 Stuten gesorgt hat, steht ihm zur Erholung zwar ein wunderschöner rund 100tägiger Sommerurlaub ohne Fortpflanzungsstress auf den saftigen Almwiesen zu.
Ein Raunen ging durch die Menge der ca 6.000 Zuschauer, als sich das Tor in die mit massiven Holzstämmen umzäunte Koppel öffnet und ein kraftvoller Noriker-Hengst von seinem Züchter hereingeführt wird

 

Er trabt friedlich neben seinem Besitzer her, doch sobald sich das Tor erneut zur Präsentation öffnet, fängt er schon nervös zu tänzeln an. So füllt sich die Koppel langsam mit 11 Deckhengsten.

 

Auf das Kommando vom Geschäftsführer der Pferdealmgenossenschaft, lassen die Züchter ihre bereits sehr kampflustigen Hengste vom Führungsseil und verlassen schnell die Koppel.

 

Nur wenige Augenblicke später bäumen sich die ersten Hengste schon auf und ein lautes Gewieher erfüllt das Gelände.

Meine Gedanken wurden mir ins Gesicht geschrieben, denn ein älterer Zuschauer erklärt mir lächelnd: „Keine Angst. Ein Kampf unter Hengsten sieht zwar brutal aus, läuft aber immer fair ab, denn sie wissen wann es genug ist und belassen es meist bei einer Machtdemonstration. Alle diese Hengste sind in Herden aufgewachsen und kennen die Regeln der Rangordnung.“

Über eine Stunde lang bleiben die Hengste zusammen in der Koppel bis alle Machtkämpfe durch Treten, Rempeln, Beißen und einschüchterndes Aufsteigen ausgetragen sind und die Hierarchie hergestellt ist. Plötzlich stehen sie erschöpft und friedlich beisammen und grasen. Wenn es auf der Alm, den ganzen Sommer über keine ordentliche Rangordnung geben würde, kämen die Deckhengste nicht über den Sommer.

Auf die Frage meines Nachbarn, wer denn meiner Meinung nach jetzt der Leithengst ist, tippte ich auf den getigerten Norika mit der Nummer 4. Er hat am öftesten provoziert und so auch die meisten Kämpfe ausgetragen. Da lachte der ältere Herr, Mitglied des Pferdezuchtverbandes: „Ja das könnte man denken. Aber ich tippe auf die Nummer 3 – das ist der Hengst der kaum gekämpft hat. Nicht die angriffslustigsten, kämpferischsten und lautesten setzen sich durch. Der Sieger hat stille Stärke, Dominanz und machtvolle Ausstrahlungskraft bewiesen und sich fast kampflos als führender Leithengst durchgesetzt.

„Schön eigentlich…“ dachte ich, als die Hengste jetzt ganz ruhig aus der Koppel geführt wurden und sich auf ihren Weg in den wohlverdienten Almsommer am Fuße des 3105 m hohen Sonnblicks machten.

Für mich war es ein einzigartiges und imposantes Spektakel inmitten herrlicher Almlandschaft!